- Czech Open, Pardubice, 2023 -
20.07. - 30.07.
 

Bast solide in "Pardu" / Mit IM-Skalp
 
Großwetterlage

Pardubice ist seit über 15 Jahren ein beliebtes Ausflugsziel für uns. Diesmal aus familiären Gründen ohne mich, aber Sebastian hatte mit Maik einen guten Reisebegleiter. Ich kann mich kaum an einen verregneteren oder kühleren Juli erinnern in Norddeutschland - da hatte man mit der Verfolgung des Turniers eine sinnvolle Beschäftigung daheim. Pardu hatte auch ein paar Grad weniger als üblich. Also kein Pardubeach diesmal. Aber unsere beiden Helden würden dort bestimmt einheizen?

Aber erstmal ankommen! Vor Dresden war ein Superstau, vor dem auch Otti Fischer kapituliert hätte. Also umfahren. Drauf den Socken und wechseln auf eine Ein-Stopp-Strategie wie Schumi. Letztlich kam man noch zeitig vor 20 Uhr an, um die Formalitäten erledigen zu können. Keine Übernachtung unter der Brücke also! Fast immer war es eng in den letzten 15 Jahren, aber wir haben es bislang nie geschafft, zu spät zu kommen.

Pardu - Damals und Heute

Man muss sagen, dass das Turnier in den letzten Jahren etwas von seiner Originalität verloren hat. So wird z.B. nicht mehr im großen Stadion gespielt. Und manchmal sind es Kleinigkeiten wie der Wegfall der berühmten B-Club-Spelunke. Die Stadt hat auch etwas osteuropäisches Flair eingebüßt und wurde vom westlichen Konsum-08/15 überrollt. Und: Das Studentenwohnheim wird jetzt gereinigt! Da fehlt einem wirklich was... Dennoch: Die Turnierbedingungen sind sehr gut, die Organisation ist es auch, und man kann das Turnier weiterhin uneingeschränkt empfehlen.

Sebastian spielte im A-Open (9 Runden, Fischer kurz) mit fast 300 Teilnehmern. 2100 ELO waren notwendig, aber ab 1900 konnte man sich mit etwas Aufschlag einkaufen. So hatte ein Drittel der Teilnehmer letztlich unter 2100. Sebastian war an 119 gesetzt. Ein hartes Brot mit einer ganzen Horde vieler junger FM, heiß wie Frittenfett und weiter nach vorne strebend. Maik im B-Turnier musste sich den unterbewerteten Kids stellen. Und sowas ist auch nicht gerade angenehm.
 

Arbeitsplatz im Studentenwohnheim

Guter Beginn

Zum Auftakt gab es einen Sieg für Sebastian gegen eine 13ährige Lettin, die letztes Jahr noch im B-Open gegen mich spielte. Mittlerweile hat sie 300 ELO zugelegt und auch mal die 2000 geknackt. Sebastian musste ein bisschen was zeigen, gewann aber letztlich klar, der Spielstärkeunterschied war hier deutlich wahrnehmbar. Allerdings mit Schwarz, also letztlich würde es auf einmal mehr Schwarz im Turnier hinauslaufen.

Danach wartete mit Milton Pantzar ein junger (Anfang 20) schwedischer IM mit 2442 ELO. Während ich um den Zeitgeist reflektierende Wortspiele bemüht war („Militant Panzer“), mühte sich Sebastian durch die Eröffnung und behandelte die Struktur nicht gut. Er stand wohl auf Verlust, als er ein Gefecht lostrat - und sogar selbst noch Chancen auf einen vollen Punkt erhielt:

Sebastian - Pantzar (2442) ½:½

Da muss man sagen, dass das Remis mehr als in Ordnung ging, trotz einer liegengelassenen Chance. Schwarz musste sich hier sicherlich mehr ärgern. Es folgte der nächste IM, ein Inder mit 2417 und natürlich den schwarzen Steinen. Sebastian hat eine schlechte Bilanz gegen Spieler aus dem Schachboom-Land Indien, auch diesmal gab es eine Null.

Der Oldenburger wählte ausgangs der Eröffnung den falschen Plan, und sein geschwächter König geriet unter Druck. Mit einem Qualitätsopfer hingegen wäre Bast voll im Spiel gewesen. Danach folgte wieder ein schwächer dotierter Spieler mit dem Niedersachsen Siegfried Löcken (2080 DWZ). Sebastian gewann mit Weiß schnell aus der Eröffnung heraus, da Schwarz in schon schlechterer Stellung einen vergifteten Bauern schlug, wonach sich ein Mattnetz zusammenzog.
 

Daheim zogen sich indessen die Regenwolken weiter zusammen...

Auf dem Höhepunkt / Sieg gegen IM

Mit 2,5/4 war Bast gut im Rennen. Die nächste Aufgabe war wieder kompliziert: Mit Jakub Kusa wartete ein 17jähriger FM mit 2340 aus Tschechien, zudem hatte Sebastian wieder Schwarz. Es war aber ein Duell auf Augenhöhe. Früher Damentausch und eine symmetrische Stellung waren zu sehen, Sebastian verlor irgendwann einen Bauern, hatte mit dem Läuferpaar aber genügend Kompensation. Aber es gab vor und auch nach der Zeitkontrolle noch ein paar Abenteuer:

Kusa (2340) - Sebastian ½:½

Ein brauchbares Ergebnis! Nunmehr ging es wieder gegen einen Inder, Weiß gegen IM Ameya Audi (2391). Na, da konnte man nur hoffen, dass nun nicht vier Nullen in dem Turnier folgen würden! Aber Vorsprung durch Taktik: Sebastian bereitete ein Bauernopfer vor, was ihm langfristige Initiative sichern würde. Es kam auf’s Brett und schlug auch voll ein. Der Oldenburger zeigte einen unwiderstehlichen Königsangriff:

Sebastian - Audi (2390) 1-0

Preparedubice! Ein sehr korrekter Gegner übrigens, der am Ende noch das Matt gestattete.
 

Sebastian im A-Club

Pardubice, wie es leibt und lebt

Während Sebastian im A-Turnier in Richtung einer IM-Norm ging, lief es für Maik im Haifischbecken, vor Ort auch bekannt als B-Open, gar nicht mit. Auch hier gab es fast 300 Teilnehmer, wobei Maik an 30 gesetzt war. Da kriegt man erstmal die unterbewerteten, hochgezüchteten Kids. Das kannte ich noch aus dem letzten Jahr. Nach 5 Runden hatte ich mich aus dem Sumpf gekämpft, aber Maik fehlte immer ein halber Punkt dazu.

Er warf nach 6 Runden das Handtuch, vielleicht fehlten ihm selbst auch ein paar Prozent, was in Verbindung mit unterbewerteten Gegnern natürlich noch kritischer ist. Hier ein interessantes Endspiel aus Runde 3 von ihm, wo er leider einen vollen Punkt verpasste:

Maik - Tulchynsky ½:½
 

Maik blieb diesmal nur der Trostpokal.
Dann eben beim nächsten Mal!

Parduabbeize - Ist der Lack ab?

Zurück zu Sebastians A-Turnier: Bis hierhin lief es wie gesagt sehr gut mit einer Leistung von etwa 2400: Zwei deutliche Siege gegen ELO-Schwächere, Sieg gegen IM und zwei Remis gegen FM/IM. Dazu eine Null lediglich gegen einen IM. In der nächsten Runde ging es nun gegen den amtierenden Deutschen Meister Leonardo Costa, ein junger FM, der 2022 mit 14 (!) den DM-Titel holte. Also bei den Erwachsenen, wohlgemerkt! Sebastian war aber mit gut vorbereitet und stand mit Schwarz sehr vernünftig, als er „ein Ding drehte“:
 
Costa - Bast
Schwarz am Dransten

Die Stellung ist ausgeglichen. Der schwarze König ist keinesfalls schwach. Hier war 23. … h5 eine Idee. Dann könnte z.B. 24. f4 mit Sxf4! beantwortet werden. Aber Weiß kann anders spielen. Objektiv ist die Stellung ausgeglichen. Schwarz kann nebem dem gefahrlos spielbaren h5 auch erstmal gar nichts machen. Wie will Weiß mit seinem Doppelbauern hier Gewinnversuche unternehmen?

Da h5 nach langem Nachdenken keinen Vorteil versprach, kam das impulsive 23. … f5?, was schlicht ein taktischer Bock war. Es folgte natürlich 24. Lb4. Der angriffenen Turm darf nun nicht die 5. Reihe verlassen wegen exf5 exf5 Lc4+. Schwarz musste also die Qualität geben und konnte danach die Partie auch nicht halten.

Nichts war es auch in Runde 8 mit Weiß gegen FM Malek (2322). Nach ruhiger Eröffnung von Schwarz stand Sebastian nach ein paar kritischen Manövern schlecht. Als er schließlich eine Art Verzweiflungsopfer brachte, hätte er aber bereits wieder eine solide Alternative gehabt. Das Opfer schlug nicht durch und die Partie ging dann im Endspiel verloren.

Vernünftiger Ausklang

In der letzten Runde musste nun also nochmal was gezeigt werden. Basts letzter Gegner kam aus der Republik Korea, dem sogenannten - oder auch - Südkorea. Nur 2059 auf dem ELO-Zettel performte der Mann bis dato aber solide über 2200 mit nur einer Niederlage im Turnier. Aber es kam noch eine weitere hinzu! Sebastian lieferte mit Schwarz eine strategische Top-Leistung ab:

Lee (2059) - Sebastian 0-1

Somit also einer 2300er-Performance und 20 ELO Zugewinn. Das war nicht so schlecht! Gegen die schwächeren Gegner wurde deutlich gewonnen, die anderen Ergebnisse gehen vom Spielverlauf her in Summe in Ordnung. Kritische Phasen in den Runden 2 und 5 überstanden, wobei in Runde 2 auch einmal mehr drin war. Dafür etwas unnötig in Runde 7 verloren.

Fazit:

Mal wieder ein wenig Schach - wenn auch passiv. Aber ich muss sagen, dass das Zuschauen weiterhin aufregender ist, als wenn man selbst am Brett sitzt. Etwas ärgerlich ist leider die unnötige Verzögerung der Live-Übertragung. Na gut, immerhin kann man es überhaupt ein wenig verfolgen. Das gute, alte Pardu hat sich schon ein wenig verändert, ist aber immer eine Reise wert.

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 02.08.2023
 

Wenigstens einer ließ sich den Sommer nicht vermiesen
"Jetzt mach' ich dem Niemann seine Sandburg kaputt!"